Geschichte

“ Wer nicht weiß, woher wir kommen, weiß auch nicht, wohin wir gehen.“

Seedorf- ein Dorf, wie jedes andere auch, mag man denken und irrt sich dabei doch gewaltig. Seedorf ist ein äußerst geschichtsträchtiger Ort, was schon dadurch deutlich wird, dass es laut der alten Schulchronik erstmals 955 n. Chr. namentlich erwähnt wurde. Damit ist es eines der am frühesten namentlich bekannten Dörfer im Landkreis Uelzen.
Seedorfs Geschichte beginnt jedoch schon viel früher, was zahlreiche Funde aus der mittleren bis frühen Jungsteinzeit belegen. Noch heute finden sich auf den Äckern rund um Seedorf Steinäxte, Faustkeile, Schabemesser und andere Werkzeuge, die eindeutig in die Jungsteinzeit zu datieren sind. Aufgrund dieser Funde kann man auch davon ausgehen, dass bereits in der Jungsteinzeit, also vor mehr als 10000 Jahren die Seedorfer Umgebung besiedelt war.
Von diesem Zeitpunkt an sind immer wieder Spuren zu finden, die auf eine Besiedelung des Seedorfer Raumes hinweisen. So findet sich auf dem Seedorfer Friedhof ein bronzezeitliches Hügelgrab, das in die Zeit um 1000 Jahre v. Chr. einzuordnen ist. Laut alter Quellen existierten noch weitere Gräber, die jedoch im Laufe der Geschichte zerstört wurden.
Auch bronzezeitliche Urnen fanden sich im Laufe der Zeit in der Nähe des Friedhofes. Sie sind etwa 100- 200 Jahre jünger als das Hügelgrab und gehören somit in die frühe Jungsteinzeit. Da die heutige Geschichtswissenschaft davon ausgeht, dass zu derartigen Bestattungen stets Gehöfte oder kleinere Siedlungen gehörten, kann man davon ausgehen, dass damals bereits Menschen auf heutigem Seedorfer Boden lebten und über mehrere hundert Jahre hinweg Grabmäler hinterließen. Seedorf bestand also als Siedlung bereits vor dem Beginn der abendländischen Zeitrechnung.
Ungefähr 800 Jahre vor Christi Geburt lief die Bronzezeit in die Eisenzeit aus, was sich dadurch bemerkbar machte, dass immer öfter Eisen statt Bronze benutzt wurde, um damit Gebrauchsgegenstände anzufertigen. Das Eisen wurde damals in Form des ,Raseneisenerzes“ gewonnen, eine Form des Eisens, die man auch heute noch in feuchten Gebieten finden kann. Auch hier in der Seedorfer Umgebung ist es zu finden und zwar vor allem im Addenstorfer Moor und in den Quellgebieten unterhalb des Goldberges. Neben der Rohform findet man heute auf den Äckem auch immer wieder Schlacken, die beim Schmelzen von Eisen entstehen. Sie bezeugen, dass auch zu dieser Zeit Menschen in der Seedorfer Umgebung lebten.
Um 150 v. Chr. beginnt die ,Seedorfer Stufe“, die mit Christi Geburt endet. Die Bezeichnung wurde von Gustav Schwantes geprägt und wird auch heute noch gelegentlich in Fachkreisen verwendet. Die Seedorfer Stufe bezeichnet die auslaufende Eisenzeit, in der erstmals auch Waffen unter den archäologischen Fundstücken zu finden sind. Es sind vor allem kleinere Schwerter und Dolche, die zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht mehr zum Jagen, sondern ausschließlich zum Kämpfen verwendet wurden. Neben Waffen finden sich für die Seedorfer Stufe typische Gefäßformen, die hauptsächlich in der Seedorfer Umgebung zu finden sind. Auch Fibeln (Gewandnadeln) treten in einer vorher noch nicht erreichten Präzision auf. Viele dieser Stücke sind im Landesmuseum in Hannover zu besichtigen.
Mit Christi Geburt beginnt die Römische Kaiserzeit in Europa, ein auf Seedorf bezogen relativ dunkles Kapitel der Geschichte. Es hatten sich damals bereits kleinere Siedlungen gebildet, die hier oben im Norden nicht erheblich vom römischen lmperium beeinflußt wurden. Aufgrund der bereits vorher vorhandenen Siedlungsansätze in der Umgebung Seedorfs ist davon auszugehen, dass weiterhin Menschen auf Seedorfer Gebiet lebten.

Auch die ab 375 beginnende Völkerwanderungszeit muß in diese Spekulationen mit einbezogen werden.

Erst ab 955 ist wieder sicher, dass Seedorf als Siedlung existiert. Dieses Datum liegt bereits in der mittelalterlichen Zeit, die um 600 n. Chr., beginnt. Aus dieser Zeit gibt es neben der namentlichen Erwähnung Keramikscherben und Spinnwirteln.
Seedorf hatte ab 955 n. Chr. stetig Bestand und wuchs unter wechselnder Herrschaft einzelner Großgrundbesitzer zu einem kleinen Dorf heran. Das Dorf lag zu damaliger Zeit an der Salzstraße von Lüneburg Richtung Süden und noch heute heißt der alte Handelsweg, der mittlerweile die Straße nach Addenstorf ist (,Alte Salzstraße“). Dieser zu damaliger Zeit überaus wichtige Handelsweg hatte anfangs nur im Sommer Bestand und wurde als der ,Sommerweg“ bezeichnet. Er lag tiefer und daher feuchter als der Winterweg, der an Medingen und Klein Bünstorf vorbei führte, war jedoch kürzer, weshalb er im Sommer stetig benutzt wurde. Später wurde er durch den Ausbau der alten Poststrecke abgelöst, deren Strecke sich größtenteils mit der heutigen B4 deckt.
Ein weiteres Relikt aus der mittelalterlichen Zeit sind die ,Rötekuhlen“, die unterhalb des Goldberges versteckt im Wald hegen. Das Quellgebiet, das ursprünglich ,Rottekuhlen“ hieß, diente damals den Bauern dazu, ihren Flachs in zahlreichen kleinen Kuhlen ,anzurotten“, damit er besser weiter zu verarbeiten war. Noch heute kann man die vielen kleinen Kuhlen sehen.
Um 1500 begann für weite Teile Europas die Neuzeit, die hauptsächlich durch die Entdeckung Amerikas und die Aufklärung eingeleitet wurde. Kleinere Dörfer wie Seedorf blieben bei dieser Entwicklung allerdings weitestgehend außen vor, da nur wenige neue Nachrichten das Dorf erreichten und 95 % oder mehr der Bevölkerung Analphabeten waren. Erst nach und nach begann auch in Seedorf und Umgebung die Neuzeit, die sich hauptsächlich anhand von erstmals glasierter Keramik festmachen läßt. Doch die Neuzeit brachte nicht nur Positives mit sich. 1618 brach der 30-jährige Krieg mit voller Heftigkeit über weite Teile Europas herein und auch Seedorf wurde als noch so kleiner Ort in das Kriegsgeschehen mit einbezogen. So fand man noch 1951 auf dem Hof Bosse beim Neubau einer Scheune ein männliches Skelett, das aus dem 30-jährigen Krieg stammte. Es war noch sehr gut erhalten und nicht bestattet worden. Daher läßt sich mit ziemlicher Genauigkeit sagen, dass auch in Seedorf Kämpfe stattfanden.
Auch die nachfolgenden Kriege und politischen Veränderungen gingen nie spurlos an Seedorf vorbei, doch nie schafften sie es, das Dorf in seinem ursprünglichen Gefüge anzugreifen.

I. Gatz